Musikgeschichte der Stadt Tulln an der Donau

Der Thurnermeister wird in Tulln erstmals 1520 erwähnt. Er besorgt als städtischer Bediensteter die Kirchenmusik, die städtischen musikalischen Aufträge und bis 1764 die Wacht auf dem Kirchturm. Weiters spielt der Thurnermeister mit seinen Gesellen bei Hochzeiten, Kirchweihfesten usw.

Die Stadt hält viel auf gute Musik. So fordert sie, dass die Musica mit qualifizierten Personen besetzt werde, da auch die Besoldung “darauf gemacht sei“.
Eine Aufgabe des Thurnermeisters, das “Anblasen“ der Herren wird 1719 abgeschafft. Anstatt des “Anblasens“ der Ratsherren, das als bettlerisch gesehen werden könnte, soll er künftig zuerst vom Turm, dann an drei Orten in der Stadt das neue Jahr anblasen. Diese Tätigkeit wird mit “4 Klaftern Auholz“ belohnt.

Um das Einkommen des Thurnermeisters nicht zu schmälern, werden Darbietungen fremder Spielleute vom Rat abgewiesen. Dennoch beklagt sich 1738 der Thurner über sein geringes Einkommen. Der Rat verordnet daraufhin, dass der Stadtwachtmeister nach 9 Uhr die “Knechte und Menscher aus dem Wirtshaus abzuschaffen habe, die Bürger jedoch noch länger bei der Musik sitzen lassen solle“.

Am Ende des 18. Jahrhunderts übernimmt der Thurner- meister auch den Mesnerdienst, 1799 wird der Thurnermeisterdienst öffentlich lizitiert und das Amt scheint dadurch ziemlich rentabel geworden zu sein.

Durch die Übernahme des Mesnerdienst ist der Thurnermeister nun auch Untergebener des Pfarrers, was zu fortwährenden Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Pfarramt führt. Nach dem Tod von Thurnermeister Franz Mistinger 1856 führen Streitigkeiten um die Pflichten des Thurnermeisters dazu, dass der Pfarrer die Mesnerstelle mit dem Kirchendiener Andreas Lohsos besetzt. Der Sohn

des verstorbenen Mistinger könne den Regenschori-Dienst erhalten. Die Stadt stellt sich dagegen, da sie als Verwalter des Benefizamtes sowohl den Mesner als auch den Regenschori zu bezahlen hat.

Bürgermeister Anton Fara bewegen die Streitigkeiten mit dem Pfarrer, das Versagen des letzten Thurnermeisters und das Bestreben, Tulln einen städtischeren Charakter zu geben dazu, 1867 den Antrag auf einen Stadtkapellmeister zu stellen. Die Aufgabe des Stadtkapellmeister ist es, eine Stadtmusik zu errichten und Musikunterricht zu erteilen.

Von den 4 Bewerbern Franz Landa, Johann Mühlberger, Karl Sandner und Ignaz Zimmer wird letzterer ausgewählt, um am 1. Juli 1868 das Amt als Stadtkapellmeister an- zutreten. Ignaz Zimmer war der letzte Kapellmeister der Pioniergruppe und schreibt in seinem Gesuch:

An die löbliche Stadtgemeinde-Repräsentanz! In Anbetracht, dass durch die Erbauung der neuen Eisenbahn der Stadt Tulln eine große Zukunft bevorsteht, und dass dieselbe durch eine gut geleitete und gut geschulte Stadtmusik nur gewinnen kann, sehe ich mich veranlasst, der löblichen Stadtrepräsentanz meine Dienste als Stadtkapellmeister anzubieten. Ich habe das Prager Musik-Konservatorium mit Vorzugsklassen absolviert; durch 6 Jahre bei der k.k. Marine- Musik von Pike auf gedient und mir dabei die Kenntnis der Behandlung sämtlicher Instrumente angeeignet; und habe durch 6 volle Jahre der Musik des Genieregiments als selbstständiger Kapellmeister vorgestanden, glaube daher die Befähigung als Stadtkapellmeister zu besitzen. 

Zimmers Aufgabe, talentierten Stadtbewohnern Musikunterricht zu geben, mit der Kapelle zu jedem Wohltä- tigkeitszweck für Tulln und Umgebung mitzuwirken und allenfalls den Thurnermeister im Kirchenchor zu vertreten wird jährlich mit 110 Gulden sowie 5 Klafter Deputatholz belohnt.

Leider hat bis dahin der Thurnermeister seine Aufgabe Instrumentalunterricht zu geben vernachlässigt, wodurch Musiker in Tulln fehlen.
1870 kündigt Zimmer aufgrund eines für ihn sehr günstigen Engagements.

1878 wird Josef Sedlmayer als Stadtkapellmeister aufgenommen und 1880 als „Instrumental-Kirchenmusikleiter und Lehrer“ bei der Stadtgemeinde angestellt. Sedlmayer geht dieser Verpflichtung bis 1915 nach. Zu seinen Aufgaben zählen die Besorgung der Instrumentalmusik in der Kirche und auf vorherige Bestellung und Bezahlung die Beistellung der Musikkapelle.

In dieser Zeit ist die Stadtkapelle kein eigener Verein. 1893 wird zwischen dem Veteranen-Bezirksverband und dem Kapellmeister ein Vertrag geschlossen, wonach die Stadtkapelle im Rahmen dieses Verbandes gegen Bezahlung als “Tullner Krieger-Kapelle“ mitwirkt.
Sedlmayer komponiert in seiner Funktion als Stadtkapellmeister auch zahlreiche Stücke, die zum Teil in Form von Klavierauszügen im Tullner Heimatmuseum aufbewahrt werden.
1915 wird Karl Schlichtinger der Nachfolger Sedlmayers als Stadtkapellmeister. Er gründet 1911 eine Jugendkapelle. Noch zur Zeit des ersten Weltkrieges rückt die Musikkapelle bei Begräbnissen mit dem Kriegerverband aus. Schlichtinger kann seine Arbeit als Stadtkapellmeister auch nach dem ersten Weltkrieg fortsetzen. 

Jugendkapelle anno 1912

Jugendkapelle anno 1912
stehend: Johann Handlberger, Leopold Hübl, ?, Johann Doppler, Leopold Mayer, Leopold Wiedermann, Alo- is Geiger, N. Schießler, Wilhelm Knollmayer, N. Henninger, Wilhelm Troeltsch, Josef Sigmund, Franz Nesselberger, ?, ?, ?, Franz Waltner, Leopold Handlberger, Georg König; sitzend: Raimund Illek, Anton Bogner, N. Köstlbauer, Karl Petschka, Kapellmeister Karl Schlichtinger, Ludwig Holzschuh, Josef Holzschuh (ab1924 Stadtkapellmeister), Leopold Pölzl, N. Illek 

1924 löst Josef Holzschuh Schlichtinger in seiner Funktion als Stadtkapellmeister ab und es wird ihm gestattet seine Kapelle unter dem Namen “Stadtkapelle Tulln“ zu führen. Holzschuh ist der letzte Stadtkapellmeister. Vorübergehend wirken Augustin Großschmied und Leopold Hübl als Kapellmeister.

1926 veranstaltet die “vollständige Stadtkapelle Tulln“ einen Ball, bei dem der Reingewinn für den Ankauf von Instrumenten verwendet wird.
1937 scheint Egon Umlauf bei einem Festkonzert als Nachfolger Holzschuhs auf. Immer wieder werden in der Verbandschronik die gute Stimmung und die künstlerisch niveauvollen Darbietungen der Kapelle erwähnt. Die Stefanikonzerte der Stadtkapelle erfreuten sich großer Beliebtheit.

Am 14.Juni 1932 findet das 6. niederösterreichische Musikfest in Tulln statt, wobei 15 Musikkapellen beteiligt sind.

1938 gründet Umlauf, der Kapellmeister der Stadtkapelle Tulln, Dirigent des Orchestervereines den Verein der Musikfreunde in Tulln im Rahmen dieses Vereines eine Jugendblaskapelle Tulln. Der zweite Weltkrieg begrenzt jedoch die Dauer des Bestands dieser Kapelle. 

recherchiert vom damaligen Obmann Johann Höckner anlässlich der Festschrift zum 25-jährigen Vereinsjubiläum 1984.